Es ist bereits ein Jahr her, dass das Thema der Zukunft der Berufsschule in Parchim auf die kreispolitische Ebene getreten war. Seitdem hat sich einiges getan und ich denke, dieses Thema ist zu wichtig für unsere Region, als dass man von ihm nur manchmal spricht. Vor allem finde ich es unerhört, dass keinerlei Informationen aus dem Bildungsministerium an Verwaltung oder Betroffene gelangen.
Doch erst einmal ein paar Fakten zur Berufsschule Parchim. Sie ist der Hauptstandort des Regionalen Beruflichen Bildungszentrums in Ludwigslust-Parchim. Im Westen unseres Landkreises finden sich noch die Standorte Ludwigslust und Hagenow. In Parchim werden sowohl Industriekaufleute als auch Fachleute für den gastronomischen Sektor ausgebildet. Diese können ihre Ausbildung in gut ausgestatteten Räumen wie einer nachgebauten Rezeption, einem Hotelzimmer oder einem ganzen Restaurant durchlaufen. Parallel bietet die Berufsschule auch Berufsvorbereitungskurse und vor allem Fachabiturklassen an.
Im letzten Jahr sollte erstmals keine Fachabiturklasse mehr für den Zweig „Wirtschaft“ in Parchim eröffnet werden. Als Grund dafür wurden unzureichende Schüleranmeldungen genannt. Später wurden fehlende Lehrkräfte für die Schließung dieses Ausbildungszweiges verantwortlich gemacht. Wenn auch der wahre Grund schleierhaft bleibt, wurde uns, nach heftigem Protest in der Stadt und im Kreistag, versichert, dass nur ein Jahrgang ausfallen sollte und dies einmalig bleibt. Dementsprechend sind auch die Anschreiben an die Schüler der Regionalschulen herausgegangen, doch angeblich gibt es nun kaum Bewerbungen für den Standort Parchim. Für den Standort Ludwigslust hingegen sollen die Bewerberzahlen ausreichend sein, weshalb die Weiterführung dieser Berufsschule klar ist.
Für den Standort Parchim zeichnet sich aus meiner Sicht aber ein sehr düsteres Bild. In Waren und Schwerin wurden die Berufsschulen im Wirtschaftssektor modernisiert. Schwerin zum Beispiel baut ebenso wie Wismar einen komplett neuen Campus für die Berufsschule, bei denen jeweils ein Internat angegliedert werden soll. In Parchim wurden solche Schritte seit Jahren vernachlässigt, weshalb der Standort geschwächt in die jetzige Phase geht. Der Verlust dieses Ausbildungsstandortes wäre ein herber Schlag ins Gesicht aller Unternehmen hier im Kreis. Wir sind der wirtschaftsstärkste Landkreis Mecklenburg-Vorpommerns, dementsprechend gehört aus meiner Sicht auch eine Berufsschule mit der Möglichkeit zum Abschluss des „Fachabiturs Wirtschaft“ in unseren Kreis.
Viele Unternehmen im Landkreis bemängeln ohnehin die Lage der beruflichen Bildung hier vor Ort. Wenn man nun noch einen Standort im Osten des Landkreises, der übrigens flächenmäßig der zweitgrößte Deutschlands ist, schließt, hätte das katastrophale Folgen. Schüler würden entweder in die großen Städte des Landes oder außerhalb der Landesgrenzen ihre Ausbildung in diesem Sektor aufnehmen. Auch für den touristischen Fachkräftenachwuchs wäre eine Schließung des Standortes Parchim verheerend und das gerade in einem Bundesland, das so sehr vom Tourismus geprägt ist wie kaum ein anderes in Deutschland. Fahrzeiten von über zwei Stunden wären die Regel für junge Menschen aus Lübz, Plau, Goldberg oder Sternberg. Das ist unzumutbar! Auch für die Lehrer, die momentan noch in Parchim unterrichten, wäre der Arbeitsweg nach Ludwigslust eine Zumutung. Die Zukunft der gesamten beruflichen Bildung entscheidet sich an dieser Frage. Wir müssen uns entscheiden: Wollen wir gleichberechtigte, starke Berufsschulstandorte verteilt im Kreis oder wollen wir einen Landkreis, der junges Fachkräftepotenzial freiwillig und selbstverschuldet an andere abgibt? In Anbetracht der momentanen Lage sollte die Antwort wohl klar sein.
Apropos Antwort: Solche erhält man im Bildungsministerium Mecklenburg-Vorpommern nicht. Weder die Verwaltung noch die Betroffenen bekommen eine wahrheitsgemäße Information über die jetzige oder zukünftige Lage des Berufsschulstandortes Parchim. Es scheint so, als wolle man in der Linkskoalition keine schlechten Nachrichten von der Kommunalwahl verbreiten, die dann mögliche Wähler noch abstoßen würden. So ein Verhalten ist lächerlich und schadet nur dem Bürger und den Unternehmen. Rot-rot bleibt sich der wirtschaftsfeindlichen Politik treu und scheinbar spielen die Genossen in unserem Landkreis bei diesem makabren Theaterstück nicht nur eine Nebenrolle. Das Bildungsministerium hatte auch eine Studie bei der PROGNOS AG in Auftrag gegeben, die die Zukunftsperspektive der beruflichen Bildung im Land analysieren sollte. In dem dann vorgelegten Werk wurde die Bedeutung der Wohnortnähe des Ausbildungsstandortes als entscheidend für die Aufnahme einer Berufsausbildung eingestuft. Dass diese Erkenntnis in die Überlegungen bezüglich zukünftiger Planungen in der beruflichen Bildung miteinbezogen werden, war aus unserer Sicht wichtig. Deshalb haben wir nach einigen Diskussionen auch einen Beschluss des Kreistages mitgetragen, der die Einbeziehung des Gutachtens in die Kreisstrategie zur beruflichen Bildung vorsieht.
Auch wenn ich dieses Gutachten an sich und aufgrund seiner Datenauswertung für nicht aussagekräftig halte, erachte ich die Erkenntnis, die Wohnortnähe zur Berufsschule sei wichtig, als sehr wertvoll. Es wirkt nämlich wahrlich auf mich so, als handele es sich bei den ganzen Prozessen, die jetzt im Hintergrund laufen, um die reine Bestätigung einer gewissen vorgefestigten Meinung bezüglich der Standorte zur beruflichen Bildung in unserem Landkreis. Parchim wird vorsätzlich geschwächt und das, obwohl es offizielle Kreisstadt und auch Hauptstandort des Regionalen Bildungszentrums ist. Das ist eine Farce zu Lasten der nachkommenden Generationen und der um Arbeitskräfte bemühten Unternehmen. Die Bedeutung des Standortes Parchim für den östlichen Teil des Landkreises habe ich bereits erläutert.
Der östliche Teil mit Einzugsgebiet rund um Parchim darf in der zukünftigen Planung nicht unter den Tisch fallen, das muss klar sein! Angesichts der Größe unseres Landkreises ist es ebenfalls unerlässlich, dass die Standorte der Berufsschule weit gestreut sind und sich nicht auf eine bestimmte Region konzentrieren. Es ist unzumutbar, dass Schüler oder Eltern der Schüler mehrere Stunden mit dem Auto unterwegs sein müssen, um die Berufsschule zu erreichen.
Ich plädiere vielmehr für eine Weiterentwicklung und Modernisierung des Berufsschulstandortes Parchim. Ein zukunftsfähiges Projekt rund um die Berufsschule mit einem Internat gedacht, wäre wirklich wünschenswert. So wie beispielsweise in Wismar, wo erst diese Woche der Neubau des dortigen Berufsschulzentrums mit angegliedertem Wohnheim im modernsten Stil vorgestellt wurde. Alle politisch Verantwortlichen in Parchim und im Landkreis Ludwigslust-Parchim müssen sich der Tragweite einer Entscheidung gegen den Standort Parchim bewusst werden. Viele Unternehmen haben mir persönlich signalisiert, dass sie ohne einen Ausbildungsstandort in der Kreisstadt gar keine Auszubildenden mehr aufnehmen würden. Das wäre fatal und würde neben dem bildungs- auch den wirtschaftspolitischen Abstieg unseres Landkreises bedeuten. Dies zu verhindern, verstehe ich als meine Aufgabe für die nächsten Jahre auf kommunalpolitischer Ebene!
Ihr Wolfgang Waldmüller