Lohnkritik mit Halbwahrheiten noch dazu in schweren Zeiten

Kürzlich veröffentlichte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung die Studie, Der untere Entgeltbereich‘. Eine dazu herausgegebene Pressemittelung des Instituts fasst das Ergebnis in der Überschrift wie folgt zusammen: ,Niedrige Monatsentgelte: Je nach Region zwischen 6 und 43 Prozent betroffen – neue Studie liefert Daten für alle Städte und Landkreise.‘
 
Dazu erklärt der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Wolfgang Waldmüller:
 
„Die Verfasserinnen und Verfasser legen der Studie die ihnen verfügbaren Entgeltdaten der Bundesagentur für Arbeit für die sozialversicherungspflichtigen Bruttomonatsentgelte der Vollzeitbeschäftigten zum Stichtag 31.12.2020 zugrunde. Sie verkennen jedoch ganz wesentliche Punkte. Mit keinem Wort wird auf die seit März 2020 ausgebrochene Corona-Pandemie und ihre verheerenden Auswirkungen auf spezifische Branchen, wie das Gastgewerbe mit der Folge Kurzarbeit Bezug genommen. An den Verfasserinnen und Verfassern scheint die Pandemie völlig vorbeigegangen zu sein. Die Arbeitsagentur hingegen hatte bei der Veröffentlichung der Daten sogar explizit auf die Auswirkungen hingewiesen. Denn genau in dieser Zeit setzte das Gastgewerbe deutschlandweit 39 Prozent und in MV 20,5 Prozent weniger um als in 2019. In der Hotellerie betrug das Umsatzminus hier 25,6 Prozent, in der Gastronomie 16,9 Prozent.

Im Stichtagsmonat Dezember fiel der Umsatz in MV coronabedingt gegenüber Dezember 2019 sogar um 79,8 Prozent (Hotellerie -95,3 Prozent, Gaststättengewerbe -73,3 Prozent). Da ist es doch nur nachvollziehbar, dass laut der Studie der Anteil der Geringverdienerinnen und Geringverdiener trotz Vollzeitjob in den entsprechenden Branchen deutschlandweit gestiegen ist.
 
Und selbstverständlich schlägt das dann auch in den tourismusstärksten Regionen unseres Landes, Vorpommern-Rügen mit 40,8 Prozent und Vorpommern-Greifswald mit 39,2 Prozent zu Buche. In Vorpommern Rügen gab es zu der Zeit neben der höchsten Geringverdienerquote im Land auch die höchste Arbeitslosigkeit mit 11,4 Prozent. Etwa zeitgleich gingen 800 Arbeitsplätze im Gastgewerbe in Mecklenburg-Vorpommern verloren. Wir haben Mecklenburg-Vorpommern in den letzten Jahren und Jahrzehnten zum Tourismusland Nr. 1 gemacht. Das Gastgewerbe ist mit etwa 5.500 Unternehmen und 60.000 Beschäftigten die tragende Säule dieses Wirtschaftszweiges. Hotellerie und Gastronomie setzen jährlich etwa 3,3 Milliarden Euro um und tragen in Mecklenburg-Vorpommern mit etwa 3,3 Prozent zur Bruttowertschöpfung bei, der Tourismus des Landes insgesamt mit 12 Prozent. Dieser Anteil ist deutlich höher als in anderen Bundesländern. Viele Menschen in dieser Branche bangen seit Beginn der Corona-Pandemie um ihren Arbeitsplatz, Unternehmer um ihre Existenz.

Da kommt die Lohnkritik in Auswertung dieser Studie jetzt gerade zur Unzeit und beschädigt, möglicherweise unbewusst, die in diesen schweren Zeiten sowieso schon gebeutelten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in der Gastronomie und Hotellerie. Erwartungsgemäß war sich natürlich auch Wirtschaftsexperte Henning Förster von den LINKEN nicht zu schade, dieses Foul aufzugreifen und ideologisch aufzuladen. Danke für die Expertise mit Weitsicht! Die Kolleginnen und Kollegen der Partei DIE LINKE haben anscheinend vergessen, dass sie neuerdings wirtschaftspolitisch und damit auch arbeitspolitisch Verantwortung tragen.
 
Das Credo sollte erst einmal sein, keines der Unternehmen mit den entsprechenden Arbeitsplätzen in und unmittelbar nach der Pandemie zu verlieren. Angesichts immer wieder neuer Einschränkungen und damit ausbleibender Perspektiven nehmen die Verzweiflung, Existenzängste und –nöte in der Gastronomie und der Hotellerie und den dort beschäftigten Angestellten nicht ab. Da geht es schon lange nicht mehr nur um die Höhe des Lohns, sondern ums nackte Überleben.“